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Teilqualifikationen

Flexibel die eigene berufliche Perspektive verbessern

27. Oktober 2025

In Zeiten des Fachkräftemangels und der zunehmenden Digitalisierung gewinnt die berufliche Weiterbildung an Bedeutung. Teilqualifikationen bieten eine praxisorientierte Möglichkeit, berufliche Kompetenzen schrittweise zu erwerben und schließlich einen anerkannten Berufsabschluss zu erlangen. Berufstätigen ohne anerkannten Abschluss und insbesondere jenen mit Migrationshintergrund bieten Teilqualifikationen eine wertvolle Brücke in eine gesicherte berufliche Zukunft. Sie sind flexibel und orientieren sich wie eine betriebliche Ausbildung an den realen Anforderungen des Arbeitsalltags.

Nahazfnahme von bunten Puzzleteilen

Viele Menschen in Deutschland haben Berufserfahrung, verfügen jedoch nicht über einen formalen Berufsabschluss. Laut Statistischem Bundesamt zählen zu dieser Gruppe der Beschäftigten mindestens 4,6 Millionen Menschen1

https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/strukturdaten.html

. Diese Personen haben oft schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt, während gleichzeitig in vielen Branchen Fachkräfte fehlen. Genau hier setzen Teilqualifikationen an. Sie bieten einen flexiblen und praxisorientierten Weg, sich durch systematisches Lernen unterhalb eines Berufsabschlusses gezielt weiterzubilden oder Schritt für Schritt auf einen anerkannten Berufsabschluss hinzuarbeiten – ohne sofort eine komplette Ausbildung durchlaufen zu müssen. Doch wie funktionieren Teilqualifikationen genau? Wer kann sie machen? Und welche Vorteile bieten sie konkret – sowohl für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer als auch für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber?

Was sind Teilqualifikationen?

Dr. Hendrik Biebeler
Dr. Hendrik Biebeler vom Bundesinstitut für Berufsbildung.

Ein großer Vorteil von Teilqualifikationen besteht in ihrer Niedrigschwelligkeit. Dr. Hendrik Biebeler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB | Abteilung "Struktur und Ordnung der Berufsbildung", Arbeitsbereich "Gewerblich-technische Berufe") und ist dort beteiligt am Projekt "Unterstützung der Transformation der Wirtschaft durch Teilqualifikationen (BIBB-TQ)". Der Experte zum Thema Teilqualifikationen betont: "Die begrenzte Dauer einer Teilqualifikation macht ihre Niedrigschwelligkeit im Vergleich zur regulären Ausbildung und zur Umschulung aus, nicht ein geringerer Schwierigkeitsgrad." Dabei kann es auch einfacher sein, sich nur auf den Inhalt einer einzelnen Teilqualifikation zu konzentrieren, statt eine gesamte Ausbildung parat haben zu müssen.

Nichtsdestotrotz sind Teilqualifikationen noch nicht flächendeckend in der Bildungslandschaft angekommen. Biebeler: "Teilqualifikationen sind noch immer wenig bekannt, und zwar bei potenziellen Teilnehmenden, bei Unternehmen und selbst in der Arbeitsverwaltung, die berät und Bildungsgutscheine ausstellt." 

Neben breitenwirksamen Maßnahmen seien Impulse vor Ort – vor allem durch sogenannte "Kümmerer" – von großer Bedeutung, erklärt Biebeler. Ein weiteres Hemmnis liegt in der Skepsis gegenüber modularen Qualifizierungsformen. "Es gibt vielfach Vorbehalte gegenüber modularen Formen der Ausbildung. Aus Sicht von Kritikern stellt die Tatsache, dass jede Teilqualifikation einzeln verwertbar ist, eine unerwünschte Sollbruchstelle da. Diese Vorbehalte scheinen jedoch abzunehmen, aber nur nach und nach", stellt Biebeler fest. 

Dennoch gibt es positive Entwicklungen, die auf eine Stärkung des Qualifizierungsinstruments Teilqualifikation hindeuten. „Durch die im Dienst der Qualitätssicherung stehende Standardisierung von Teilqualifikationen in vom Bundesministerium für Bildung, Familie, Senioren, Frauen und Jugend geförderten Projekten sowie durch die angestrebte Überarbeitung der Hauptausschuss-Empfehlung 1704

https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA170.pdf

 zur 'Abschlussorientierten Qualifizierung Erwachsener' wird ein zusätzlicher Schub für dieses Instrument der Nachqualifizierung erwartet“, so Biebeler.

An wen richten sich Teilqualifikationen?

  • Teilqualifikationen richten sich an Menschen über 25 Jahre, die keinen formalen oder keinen am Arbeitsmarkt verwertbaren Berufsabschluss haben und bereits über berufliche Erfahrungen verfügen.
  • Teilqualifikationen gibt es in vielen Bereichen – u.a. Lagerlogistik, Verkauf und Einzelhandel oder Hotel- und Gastgewerbe
  • Rund 17.000 Menschen beginnen jährlich eine Teilqualifikation (alle Berufsziele)5

     Teilqualifizierungen – wie häufig werden sie eingesetzt und wer nimmt teil? - IAB-Forum

Eintritte in Teilqualifikationen zu ausgewählten Referenzberufen
Abbildung 1: Eintritte in Teilqualifikationen zu ausgewählten Referenzberufen – 2020 bis 2024

In der Praxis zeigt sich, dass bestimmte Berufsfelder besonders häufig im Rahmen von Teilqualifikationen nachgefragt werden. "Dabei dominieren Berufe mit einem geringen Schwierigkeitsgrad, allen voran das Berufsziel Fahrzeugführung im Straßenverkehr, danach Sicherheits- und Logistikberufe", beobachtet Biebeler. Vor allem getrieben durch die bislang typischen Teilqualifikationsberufe in den Bereichen Logistik, Sicherheit und Transport sind die Teilnehmenden überwiegend männlich. Mit Blick auf die Zusammensetzung der Teilnehmenden gibt es zudem eine Tendenz zur Qualifizierung von Personen, die bereits einer Arbeit nachgehen. Diese Gruppe macht derzeit etwa ein Viertel aller Teilnehmenden aus – Tendenz steigend.

Praxistipp

Es ist ratsam, dass Vorgesetzte und/oder Ausbilderinnen und Ausbilder, die nah dran sind an den alltäglichen Abläufen im Betrieb, ein Auge auf mögliche Kandidatinnen und Kandidaten für Teilqualifikationen haben. Mitunter kann hier ein wertvoller Impuls gesetzt werden, falls diese Personen das Konzept der Teilqualifikationen selbst nicht kennen!

Anteil der Beschäftigten an Teilqualifikationen
Abbildung 2: Anteil der Beschäftigten an Eintritten in Teilqualifikationen – 2018 bis 2024

Struktur und Aufbau von Teilqualifikationen

"Weit verbreitet ist bei Teilqualifikationen, dass nur ein Modul absolviert wird", erklärt Biebeler. Dieses Verhalten lässt darauf schließen, dass Teilqualifikationen vielfach als punktuelle Qualifizierungsmaßnahme genutzt werden.

Vorteile für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

  • Flexibilität: Teilqualifikationen können bei einer entsprechenden Freistellung durch das Unternehmen auch von Beschäftigten absolviert werden, was insbesondere für Erwachsene mit familiären oder beruflichen Verpflichtungen von Vorteil ist.
  • Individuelle Förderung: Durch die modulare Struktur können Teilnehmende gezielt ihre Lücken in einem Ausbildungsberuf schließen.
  • Anerkennung: Die Externenprüfung bei der zuständigen Kammer bietet die Chance, einen vollwertigen Berufsabschluss zu erlangen, der auf dem Arbeitsmarkt anerkannt ist.

Vorteile für Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber

  • Fachkräfteentwicklung: Unternehmen können bestehende Mitarbeitende gezielt weiterqualifizieren und so Fachkräftepotenziale im eigenen Betrieb erschließen.
  • Mitarbeitermotivation: Die Möglichkeit zur Weiterbildung steigert die Zufriedenheit und die Bindung der Mitarbeitenden an das Unternehmen.

Wer bietet Teilqualifikationen an?

  • Bildungsträger: Eine Vielzahl von Bildungsanbietern bietet Teilqualifikationen in verschiedenen Berufsfeldern an. Alle orientieren sich an den Konstruktionsprinzipien der Bundesagentur für Arbeit als wichtigsten Mittelgeber.
  • Industrie- und Handelskammern (IHKs) und Handwerkskammern (HWKs): Die Kammern sind ebenfalls beteiligt, indem sie die Teilqualifikationen standardisieren, Kompetenzen feststellen und Zertifikate ausstellen, die den Weg zum Berufsabschluss ebnen. 

Die Agentur für Arbeit und Jobcenter sind die ersten Ansprechpartner für Menschen, die an einer Teilqualifikation interessiert sind. Hier kann dabei geholfen werden, die richtigen Partner für die Durchführung zu finden.

Fördermöglichkeit

Die Bundesagentur für Arbeit fördert berufsanschlussfähige Teilqualifikationen im Rahmen von sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnissen. Voraussetzung ist, dass die Qualifizierung bei einem AZAV-zertifizierten Bildungsträger durchgeführt wird. Es ist wichtig, dass die Qualifizierungen in die Gesamtstruktur eines Ausbildungsberufs eingebettet sind, um als Teilqualifikation anerkannt zu werden.

Weitere Informationen

Fazit

Teilqualifikationen stellen eine wertvolle Möglichkeit dar, berufliche Kompetenzen schrittweise zu erwerben und einen anerkannten Berufsabschluss zu erlangen. Sie bieten sowohl Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern als auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgebern zahlreiche Vorteile und tragen so zur Fachkräftesicherung und -entwicklung bei. Durch die Unterstützung von Institutionen wie der Bundesagentur für Arbeit, der Industrie- und Handelskammern sowie der Handwerkskammern wird die Umsetzung und Integration von Teilqualifikationen weiter gefördert.

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    https://www.destatis.de/DE/Themen/Arbeit/Arbeitsmarkt/Erwerbstaetigkeit/Tabellen/strukturdaten.html

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    https://kurse.tuv.com/teilqualifizierung/fachlagerist-teilqualifikation-1

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    https://www.bfz-essen.de/berufsbereiche/berufskraftfahrer-in/berufsanschlussfaehige-teilqualifikation-tq3-berufskraftfahrer-in-personen-befoerdern/tq1_berufskraftfahrer_gueter-befoerdern_als-flyer

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    https://www.bibb.de/dokumente/pdf/HA170.pdf

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     Teilqualifizierungen – wie häufig werden sie eingesetzt und wer nimmt teil? - IAB-Forum